6.3.2023

Sisyphus - 
keep on rolling!

Es gibt drei Nahrungsquellen, die nie versiegen und auf die seit Jahrmillionen Verlass ist: Tote Pflanzen, tote Tiere sowie die Hinterlassenschaften von lebenden Tieren. Kein Wunder, dass sich so viele verschiedene Lebewesen auf die Aufarbeitung, die Beseitigung und das Recycling dieser wichtigen Nahrungsressourcen spezialisiert haben.

Von toten Bäumen ("Totholz") wissen wir mittlerweile, dass sie einen bedeutenden Lebensraum darstellen. Auch Detritus, also abgestorbenes Pflanzenmaterial, gilt als wichtige Nahrungsquelle für eine Vielzahl von Lebewesen. Bei toten Tieren (Aas) und Kot ist das - selbst unter Biologen! - bisher noch nicht ganz durchgedrungen.

Aus diesem Grund möchte ich hier stellvertretend einen dieser Dung-Recycler präsentieren: den Matten Pillenwälzer (Sisyphus schaefferi). Der Sisyphus ziert auch das KommBi-Logo. Warum? Er verbindet all meine Lieblingsthemen - Insekten, Beweidung und Kulturgeschichte. Zu den letzten beiden Themen gibt es demnächst sicher einen weiteren Blogartikel. Beginnen wir zunächst mit der Lebensweise des Pillenwälzers:

Als letzter heimischer "Roller" formt der Pillenwälzer eine Kugel aus Dung und rollt sie an einen geeigneten Ort, um sie danach zu vergraben. Sie dient als Nahrung für den Nachwuchs. Gleichzeitig wird der Dunghaufen Stück für Stück entfernt, die Nährstoffe werden direkt dem Boden zugeführt. Neben den "Rollern" gibt es unter den etwa 100 einheimischen Dungkäfern noch die "Dweller", die den Dunghaufen durchwühlen und ihre Nester direkt im Kot anlegen, sowie die "Tunnelers": Sie graben einen Tunnel unter dem Dunghaufen und vergraben darin ihre Kotkugel.

Der berühmteste "Roller" ist wohl der bei den Alten Ägyptern als heilig verehrte Skarabäus, der Heilige Pillendreher (Scarabaeus sacer). Durch seine unterirdische Entwicklung und sein scheinbar plötzliches Erscheinen aus der Erde galt der Heilige Pillendreher als Symbol der Wiedergeburt. Die Gattung Scarabaeus war übrigens früher auch in Österreich heimisch, ist aber mittlerweile leider bereits ausgestorben.

Der Gattungsname des Matten Pillenwälzers - Sisyphus - erinnert euch vielleicht an die Gestalt des Sisyphos aus der Griechischen Mythologie. Und tatsächlich wird Sisyphos, nachdem er es sich mit mehreren Göttern verscherzt hat, in der Unterwelt dazu verdammt, einen Felsblock den Berg hinaufzuwälzen. Doch jedes Mal, bevor er den Berggipfel erreicht, rollt der Fels hinab und muss von Sisyphos erneut hinaufgerollt werden. Wer unserem Matten Pillenwälzer schon einmal beim Rollen seiner Kugel zugesehen hat, wird sich an diese "Sisyphusarbeit" erinnert fühlen...

Im ersten Absatz schrieb ich, dass Dung zu jenen Nahrungsquellen gehören, die nie versiegen. "Eigentlich", müsste man hinzufügen. Denn wir Menschen spülen unsere Hinterlassenschaften den Kanal hinunter, das Hundegackerl kommt ins Sackerl, und unsere Pferde, Rinder und Schafe stecken wir in Ställe. Über erstere beiden Punkte bin auch ich - allein aufgrund der Dichte an Menschen und Hunde in unseren Siedlungen - sehr dankbar. Doch im Vergleich zu den letzten Jahrtausenden, in denen wir unsere Nutztiere im Freien weiden ließen, fehlt den Dungkäfern mittlerweile ein Großteil der Nahrungsgrundlage. Dies macht sich auch in einem Rückgang der Arten- und Individuenzahlen bemerkbar. Die extensive Beweidung würde dem Sisyphus und seinen Verwandten sehr helfen. Mit den Tieren kommt mehr Dung in unsere Landschaft. Und dann danken wir unserem kleinen Käfer, dass er sich dieser "Sisyphus-Aufgabe" annimmt.

Foto: M. Pfeiffer, Museumsdorf Niedersulz

16.2.2023

Trockenrasen - 
Savanne des Weinviertels

Trockenrasen gehören zu meinen absoluten Lieblingslebensräumen! Das sorgt für Verwirrung... Was soll an trockenen Wiesen so spannend sein?

Aus Naturdokus kennen Sie sicherlich Darstellungen der Serengeti - Elefanten, Nashörner, Giraffen und Antilopen streifen durch das weite Grasland. Vereinzelt stehende Gehölze, etwa schirmartig ausgefressene Akazien, bieten in der Savanne Schutz und Schatten.

Und jetzt stellen Sie sich die gleiche Szene im Weinviertel nach der Eiszeit vor. Wir wechseln Nashörner gegen Auerochsen, Elefanten gegen Wisente und Antilopen gegen Wildpferde. Auf den trockeneren, mageren Stellen - die wir heute Trockenrasen nennen - bildet sich eine spezielle Steppenvegetation. Sie hat gleich mit mehreren Problemen zu kämpen: Trockenheit, Nährstoffmangel, Hitze im Sommer, eisige Kälte im Winter sowie den Fraßdruck durch die Pflanzenfresser. In den Jahrtausenden, die seit dem Ende der Eiszeit vergangen sind, haben die Pflanzen verschiedenste Strategien zur Lösung der oben genannten Probleme entwickelt. Es entstand eine Vielzahl an Pflanzenarten. Hohe Pflanzenvielfalt führt meist zu einer hohen Insektenvielfalt - weshalb Trockenrasen heute zu den artenreichsten Lebensräumen Niederösterreichs zählen.

In den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden durchstreiften zwar keine Auerochsen und Wildpferde mehr die Steppen. Doch der Mensch nutzte diese mageren (und daher ackerbaulich wertlosen) Gebiete als Weideflächen für seine Rinder, Pferde und Schafe. Sie ersetzten die nacheiszeitlichen großen Pflanzenfresser. Bis nach dem 2. Weltkrieg wurde das Weidevieh von Hirten über Triftwege auf die Trockenrasen getrieben. Die Aufgabe dieser traditionellen Weidehaltung ("Hutweide") führte dazu, dass viele Trockenrasen verbuschten und verwaldeten. An diesen Stellen verschwand die artenreiche und außergewöhnliche Vegetation der Steppenpflanzen - mit all ihren Bewohnern.

Aus diesem Grund setze ich mich - auch persönlich mit meinen Schafen und Hütehunden - für den Schutz und die Pflege der wenigen bis jetzt erhaltenen Trockenrasen ein. Kommen Sie mit auf eine Wanderung in die Savanne des Weinviertels und lassen Sie sich von der Blüten- und Insektenvielfalt überraschen!

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